Außergewöhnliche Erfahrungen (AgE) weichen vom alltäglichen Erleben ab. Sie können positiv oder negativ erlebt werden und das Weltbild der erlebenden Person bestätigen, es in Frage stellen oder gar erschüttern. Wie mit diesen Erfahrungen umgegangen wird und wie sie biografisch integriert werden, hängt von vielen Faktoren ab. So spielen neben dem Weltbild vorhandene persönliche und kulturelle Deutungsmuster, Vorerfahrungen sowie der Kontext, in dem die AgE gemacht werden, eine wichtige Rolle für deren Auswirkungen auf die Glaubensvorstellungen und die narrative Konstruktion der eigenen Biografie.
AgE können spontan auftreten, ohne dass eine direkte Ursache erkennbar wäre. Dies kann zu Staunen führen, aber auch zur zweifelnden Frage, ob man einer Sinnestäuschung erlegen sein könnte. Etwas anders verhält es sich, wenn AgE im Rahmen von religiösen, spirituellen oder magischen Praktiken auftreten. Dort können sie wichtige Funktionen übernehmen. Die Bedeutung von AgE für den Prozess der Annahme eines heterodoxen Glaubenssystems oder einer alternativen religiösen Weltanschauung wurde in der Forschungsliteratur oft vernachlässigt. Religionswissenschaftler beschäftigen sich vor allem mit dem religionssoziologischen oder religionspsychologischen Prozess der religiösen Konversion, den sie in verschiedene Phasen unterteilen. Außergewöhnliche Erlebnisse werden dabei zwar als potenzielle innere Auslöser mitberücksichtigt (z. B. mystische Erlebnisse oder Nahtoderlebnisse), doch wird die besondere Qualität dieser Erlebnisse oft nicht in Betracht gezogen.
Wir gingen der Frage nach der besonderen Bedeutung von AgE für die Übernahme von unorthodoxen Glaubensvorstellungen anhand von Interviewmaterial nach, das in drei Feldstudien im deutschsprachigen Raum erhoben worden ist.