Parapsycho­logie und paranormale Phänomene

Plananalytische Studien zu außergewöhnlichen Erfahrungen

Mit der Methode der Plananalyse (Caspar 2018) werden aus dem Verhalten eines Menschen sogenannte Pläne erschlossen. Pläne sind bewusste und nichtbewusste Handlungsprogramme. Sie bestehen aus einer Ziel-Komponente und den Mitteln, dieses Ziel zu erreichen. Das Produkt der Plananalyse ist eine hierarchische Planstruktur, in der die Gesamtheit der erschlossenen Pläne bzw. Mittel-Zweck-Relationen dargestellt wird: Auf der untersten Ebene werden auffällige Verhaltensweisen einer Person im Indikativ formuliert (z. B. „lacht, wenn er über schlimme Kindheitserlebnisse berichtet“). Von diesen wird auf im Imperativ formulierte Pläne geschlossen („distanziere dich von negativen Emotionen“), die wiederum übergeordneten Plänen dienen (z. B. „zeige, dass du darüber hinweg bist“), die schließlich am Ende die obersten Pläne (z. B. „vermeide Opferrolle“) auf die Erfüllung der wichtigsten Bedürfnisse zielen (z. B. „behalte Selbstkontrolle“). Abbildung 1 zeigt beispielhaft einen reduzierten Ausschnitt aus einer Planstruktur.

Abb. 1

Plananalytische Studien, die anhand der Videoaufzeichnungen von Beratungssitzungen im IGPP durchgeführt wurden (Tölle 2003; Spitz 2005; Belz und Berger 2008), zeigten, dass Ratsuchende ihre AgE zur Erfüllung wichtiger Bedürfnisse wie Kontrolle, Anerkennung, Lebenssinn oder Bindung einsetzen und dass die mit AgE verbundenen Pläne die Personen häufig daran hindern, wichtige Probleme anzugehen und sich mit Konflikten auseinanderzusetzen. Neuere Forschungsergebnisse (siehe Forschungsprojekt Bindungsstile bei Ratsuchenden mit AgE) lassen vermuten, dass häufig wiederkehrende und belastende AgE mit unsicheren Bindungsstilen einhergehen, die eine Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse nach Autonomie und Bindung einschränken (Fach 2022). Aus der Bindungsforschung ist belegt, dass sich negative Bindungserfahrungen in der frühen Kindheit häufig zu unsicheren Bindungsstilen im Erwachsenenalter ausprägen. Gegebenenfalls wird Bindung mit bedrohlicher Heteronomie oder Autonomie mit bedrohlicher Separation assoziiert.

In einer plananalytischen Studie untersuchte Fach (2024) Zusammenhänge zwischen Bindungsstilen und AgE an zwölf Beratungsfällen, von denen jeweils zwei einen von sechs typischen AgE-Formenkreisen repräsentierten (s. unten). Ausgangsmaterial für die Plananalysen waren Videoaufzeichnungen von Beratungssitzungen, biografisches Material und Fragebogendaten. Fach definierte vier Arten von problematischen Plänen in Bezug auf Autonomie und Bindung: (1) Separations-Vermeidungspläne (z.B. „vermeide Konflikte“) schränken Autonomie ein; (2) Heteronomie-Vermeidungspläne (z.B. „vermeide Kompromisse“) schränken Bindung ein; (3) Separationspläne (z.B. „halte alle auf Distanz“) verhindern Bindung, und (4) Heteronomiepläne („erfülle alle Erwartungen“) verhindern Autonomie. Die Plankategorien wurden mit psychodynamischen Grundkonfliktverarbeitungsmodi (Arbeitskreis OPD 2014) verknüpft. Eine aktive Konfliktverarbeitung zeigt sich demnach in Heteronomie-Vermeidungsplänen, die auf Kontrolle/Autarkie zielen, sowie in Separationsplänen, die auf Individuation zielen. Eine passive Konfliktverarbeitung zeigt sich in Separations-Vermeidungsplänen, die auf Unterwerfung/Versorgung zielen, sowie in Heteronomieplänen, die auf Abhängigkeit zielen.

Bezüglich der AgE-Formenkreise der Ratsuchenden zeigte sich, dass die Planstrukturen (1) bei Außersinnlicher Wahrnehmung durch Heteronomie-Vermeidungspläne, (2) bei Sinnvollen Fügungen durch Separations-Vermeidungspläne, bei (3) Internaler Präsenz und Beeinflussung durch Separationspläne und bei (4) Spuk und Erscheinungen durch Heteronomiepläne dominiert wurden. Im Falle der dissoziativen Formenkreise lagen akute Konflikte bei (5) Mediumismus und Automatismen zwischen Heteronomie-Vermeidungs- und Heteronomieplänen sowie bei (6) Nachtmahr und Schlafparalyse zwischen Separations-Vermeidungs- und Separationsplänen vor. Zudem ließen sich die bei AgE berichteten außergewöhnlichen Phänomene (AgP) als Repräsentationen von blockierter Autonomie oder Bindung interpretieren. In ihrer Wirkung auf die Ratsuchenden lassen AgP auf systemzentrierte Pläne schließen, die eine kompensatorische Funktion für das psychophysische Gesamtsystem erfüllen. Abbildung 2 zeigt beispielhaft, wie Spukphänomene in einem Familiensystem die subjektzentrierten Pläne einzelner Familienmitglieder entweder stützen oder attackieren.

Abb. 2

Publikationen

Arbeitskreis OPD (2014). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik OPD-2. Das Manual für Diagnostik und Therapieplanung. 3. Aufl. Huber.

Belz, M. & Berger, T. (2008). Psychisches Wohlbefinden, Außergewöhnliche Erfahrungen und Emotionsregulation. Zeitschrift für Anomalistik 8, 118–134.

Caspar, F. (2018). Beziehungen und Probleme verstehen. Eine Einführung in die psychotherapeutische Plananalyse. 4. überarb. Aufl. Hogrefe.

Fach, W. (2022). Exceptional Experiences (ExE) and bonding styles: Autonomy and bonding as basic human needs and as structural determinants of ExE. In: Psychotherapy Section Review (67), S. 12–41. https://doi.org/10.53841/bpspsr.2022.1.67.12

Fach, W. (2024). Das Spektrum des Außergewöhnlichen. Konzeptionelle Ansätze, empirisch-phänomenologische Untersuchungen und plananalytische Fallstudien zur mentalen Repräsentation bei außergewöhnlichen Erfahrungen. Dissertation. Universität Bern. https://boristheses.unibe.ch/5179/

Spitz, H. (2005). Emotionsregulation bei außergewöhnlichen Erfahrungen. Eine Fallstudie über Ratsuchende mit außergewöhnlichen Erfahrungen. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Tölle, P. (2003). Typische Planstrukturen bei Menschen mit außergewöhnlichen Erfahrungen. Unveröffentlichte Diplomarbeit, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.