Geist und Materie

EEG-Korrelate der Inte­gration zeit­licher Aspekte in den Wahr­neh­mungs­prozess

Die Wahrnehmung der uns umgebenden Welt ist geprägt von Erinnerungen und daraus resultierenden Vorhersagen über zukünftige Ereignisse. Dies geschieht sowohl auf der bewusst erlebbaren Ebene, aber auch bei sehr kurzen (im Bereich von Millisekunden), unbewussten Prozessen im Gehirn. Eine Abweichung bei der Integration solcher zeitlichen Aspekte im Wahrnehmungsprozess wird als mögliche Ursache für psychiatrische Störungsbilder wie der Schizophrenie gesehen. In einem ersten Projekt konnten wir dafür experimentelle Bestätigung mit Hilfe des Elektroenzephalogramms (EEG) finden: In zwei verschiedenen experimentellen Paradigmen zeigte sich, dass die Hirnaktivität, die auf eine Reizpräsentation folgt, bei Neurotypischen über wiederholte Reizpräsentationen hinweg meist zur gleichen Zeit stattfindet, siehe Abbildung 1. Bei Patient*Innen mit Schizophrenie allerdings, war diese Hirnaktivität für sich zwar gleich stark ausgeprägt, aber zeitlich nicht so genau auf die Reizpräsentation abgestimmt. Solche Millisekunden-Verschiebungen der Hirnaktivität könnten die Verarbeitung auf längeren Zeitskalen und somit höhere und komplexere Inhalte beeinflussen und Auswirkungen bis in das bewusste Erleben und somit auf Symptomebene haben.

EEG-Aktivität von Patienten und Gesunden
Abbildung 1

In einem nächsten Schritt werden wir die Integration zeitlichen Aspekte bei der Wahrnehmung untersuchen, wenn die sensorische Information verrauscht oder mehrdeutig ist. Im Labor können wir diese Situation mithilfe mehrdeutiger Figuren hervorrufen, bei denen ein Bild für zwei mögliche Interpretation erlaubt (z.B. den Necker Würfel, s. Abb. 2 & Onlinedemo: https://michaelbach.de/ot/sze-Necker/index-de.html).

DFG-Projekt “Neural processing of visual ambiguity”
Förderzeitraum: 03/2023–12/2026
Necker-Würfel
Abbildung 2

Projektteam

Publikationen

Wilson, M., Joos, E., Giersch, A., Bonnefond, A., Tebartz Van Elst, L., Hecker, L., & Kornmeier, J. (2024). Do smaller P300 amplitudes in schizophrenia result from larger variability in temporal processing? Schizophrenia, 10(1), 104. https://doi.org/10.1038/s41537-024-00519-4