Geist und Materie

Induzierte psychophysische Korrelationen und außergewöhnliche Erfahrungen (AgE)

In der Vergangenheit war die wissenschaftlich betriebene Parapsychologie weitgehend von der Annahme geprägt, dass paranormale Phänomene und AgE mit unbekannten Informations- bzw. Signalübertragungen zusammenhängen. Angesichts der flüchtigen und nichtlokalen Eigenschaften von außergewöhnlichen Phänomenen erscheinen klassische Sender-Empfänger-Vorstellungen jedoch wenig plausibel.

Geht man von einem Duale-Aspekte-Monismus aus, beruhen psychophysische Beziehungen nicht auf direkten Wechselwirkungen. Stattdessen haben wir es mit Korrelationen von mentalen und materiellen Aspekten einer zugrundeliegenden und unanschaulichen Ganzheit zu tun. Strukturelle Korrelationen gehen wie in Abbildung 1a dargestellt aus dem Sym­me­trie­bruch des psychophysisch neutralen Holismus hervor. Es sind die uns vertrauten psychophysischen Zusammenhänge, die von jeher das klassische Leib-Seele-Problem aufwerfen, aber als gewöhnlich gelten, weil sie zuverlässig und replizierbar sind.

Abb. 1

Die Beziehung zwischen der latenten Einheitswirklichkeit und dem manifesten Dualismus ist allerdings nicht unidirektional, sondern bidirektional, weil Ereignisse im mentalen oder materiellen Bereich auf den holistischen Bereich zurückwirken können. Daher sind auch induzierte Korrelationen möglich, die den Rahmen des Vertrauten verlassen und als außergewöhnlich oder paranormal gelten. Zum Beispiel kann, wie Abbildung 1b dargestellt, eine Verdrängung von psychischen Inhalten über den Weg des Unbewussten physische Phänomene hervorrufen.

Vor diesem konzeptuellen Hintergrund und unter Verwendung empirischer Daten aus dem beratungspsychologischen Kontext des IGPP wurden heuristische Modelle entwickelt, die systematische Zusammenhänge zwischen AgE-Formenkreisen und dem psychischen Geschehen der Betroffenen beschreiben (Fach, 2011; 2014, 2017). Fallanalysen legen nahe, dass Konflikte bei der Befriedigung und Sicherung der Grundbedürfnisse nach Autonomie und Bindung eine fundamentale Rolle bei der Genese von AgE spielen.

So zeichnen sich Familien, die in der IGPP-Beratung über Spukphänomene und Erscheinungen berichten, durch starke interpersonale Abhängigkeit aus. Bei genauerer Exploration und Analyse findet sich fast immer bei einem der Familienmitglieder ein zum Bindungsbedürfnis inkompatibler Wunsch nach Autonomie. Häufig handelt es sich dabei um Jugendliche in der Pubertät, die unselbstständig, angepasst und im emotionalen Ausdruck gehemmt sind. Aufgrund von hintergründigen Konflikt- und Beziehungsstrukturen im Familiengeschehen ist der aufkeimende Wunsch nach mehr Ungebundenheit und Selbstständigkeit so bedrohlich und ambivalent, dass er verdrängt wird. Die Autonomie, die zugunsten von Bindung aus dem sozialen System ferngehalten wird, manifestiert sich, wie in Abbildung 2a dargestellt, in der Außenwelt, wo sie gewöhnlich nicht angesiedelt ist.

Umgekehrt gibt es im Beratungskontext des IGPP eine Klientel, die zu sozialem Rückzug tendiert und AgE schildert, die als Internale Präsenz und Beeinflussung klassifiziert werden. Dieser Formenkreis tritt typischerweise nach einer besonderen Begegnung, einem intensiven Kontakt oder einer Beziehung mit einer anderen Person auf, die eine besondere Wirkung oder Attraktion auf die Ratsuchenden ausübte. Es wird eine zunehmend aversive Verbindung erlebt, die nach Beendigung realer Kontakte als Fernbeeinflussung in Form von negativen Emotionen, Gedankeneingebungen und somatische Phänomene erlebt wird. Hier werden zur Wahrung von persönlicher Autonomie eigene Bindungsgefühle durch Projektion auf die andere Person abgewehrt. Abbildung 2b zeigt wie die Projektion über den holistischen Bereich zurückwirkt, sich vom Unbewussten her ich-fremd manifestiert.

Abb. 2

Die phänomenologische Klassifikation und die in der exemplarischen Gegenüberstellung der beiden Formenkreise verdeutlichten Modellansätze haben unmittelbare Relevanz für die Beratung und Therapie von Menschen mit AgE (Fach, 2022). Dabei scheint es sich mit den induzierten psychophysischen Korrelationen ähnlich zu verhalten wie mit nichtlokalen Korrelationen bei Quantensystemen. So wie diese durch den Messvorgang zerstört werden, kann die Bewusstmachung von unbewussten Zusammenhängen außergewöhnlichen Phänomenen die Grundlage entziehen.

Projektteam

Publikationen

Fach, W. (2011). Phenomenological aspects of complementarity and entanglement in exceptional human experiences (ExE). Axiomathes, 21(2), 233–247. https://doi.org/10.1007/s10516-010-9143-7

Fach, W. (2014). Complementary aspects of mind-matter correlations in exceptional human experiences. In H. Atmanspacher & C. A. Fuchs (Hrsg.), The Pauli-Jung conjecture and its impact today (S. 255–273). Springer.

Fach, W. (2017). Ein psychophysischer Modellansatz zum Verständnis außergewöhnlicher Erfahrungen. In L. Hofmann & P. Heise (Hrsg.), Spiritualität und spirituelle Krisen. Handbuch zu Theorie, Forschung und Praxis (S. 124–138). Schattauer.

Fach, W. (2022). Exceptional Experiences (ExE) and bonding styles: Autonomy and bonding as basic human needs and as structural determinants of ExE. Psychotherapy Section Review, (67), 12–41. https://doi.org/10.53841/bpspsr.2022.1.67.12