Schaufenster ins IGPP-Archiv:

#12"ATEMLOSE STILLE, VERBLÜFFUNG UND ÜBERRASCHUNG": URI GELLER IN OFFENBURG
#11DER MANN AN IHRER SEITE: JAROSLAV HOPPE(1878-1926)
#10HEXENJAGD IN ITALIEN: DER FALL CAROLE COMPTON
#9GERDA UND DER KOSMIKER
#8DER SEHER VOM KINZIGTAL
#7RUNENSTEIN UND HERDFEUER
#6TANTE ELSES KOFFER
#5HANS DRIESCH ALS NETZWERKER
#4PSI ODER NICHT PSI
#3STIMMEN AUS DEM JENSEITS?
#2SICHER SIEGEN
#1DAS ALIEN IM WALD

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #12 (9.2.2024)

"ATEMLOSE STILLE, VERBLÜFFUNG UND ÜBERRASCHUNG":

URI GELLER IN OFFENBURG

von Uwe Schellinger

Ausgabe DER SPIEGEL vom 28. Januar 1974 (Archiv des IGPP)
Ausgabe DER SPIEGEL vom 28. Januar 1974 (Archiv des IGPP)

Vor 50 Jahren hatte der spätere PSI-Superstar Uri Geller seinen allerersten Auftritt vor dem deutschen Fernsehpublikum. Am 17. Januar 1974 trat der damals 27-jährige Israeli in der TV-Show "Drei mal Neun" auf, die live aus der Oberrheinhalle im südbadischen Offenburg ausgestrahlt wurde.

 

Bildpostkarte mit Motiv Oberrheinhalle 1970er Jahre (Archiv des IGPP)
Bildpostkarte mit Motiv Oberrheinhalle 1970er Jahre (Archiv des IGPP)

 

Am Nachmittag vor der Sendung traf sich Geller in Offenburg noch mit dem bekannten Freiburger Parapsychologen Hans Bender. Während ihres Gesprächs (das aufgezeichnet wurde) versuchte Uri Geller unter anderem, den ihm dafür übergeben Türschlüssel des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) mit rein mentalen Kräften zu verbiegen.

 

 

Ansichtkarte 	"Offenburg/Baden	" gelaufen 1973 (Archiv des IGPP)
Ansichtkarte "Offenburg/Baden " gelaufen 1973 (Archiv des IGPP)

 

Ansichtskarte "Grüße aus Offenburg am Schwarzwald", gelaufen 1988 (Archiv des IGPP)
Ansichtskarte "Grüße aus Offenburg am Schwarzwald", gelaufen 1988 (Archiv des IGPP)

 

Institutsschlüssel des IGPP: Biege-Versuch von Uri Geller am 17.1.1974 (Archiv des IGPP)
Institutsschlüssel des IGPP: Biege-Versuch von Uri Geller am 17.1.1974 (Archiv des IGPP)

 

Transkripts eines Gesprächs zwischen
Hans Bender und Uri Geller am 17.1.1974 in Offenburg (Archiv des IGPP)
Transkripts eines Gesprächs zwischen Hans Bender und Uri Geller am 17.1.1974 in Offenburg (Archiv des IGPP)

 

Während seines 18-minütigen Fernsehauftritts zerbrach Geller nach längerem Reiben mit dem Finger eine Gabel und brachte eine kaputte Uhr wieder zum Laufen. Es gelang ihm hingegen nicht, eine Zeichnung in einem verschlossenen Umschlag zu erkennen. Während und im Anschluss an die Sendung berichteten Hunderte von Fernsehzuschauern, wie sich bei ihnen zu Hause zeitgleich paranormale Phänomene ereignet hätten. In den Tagen danach wurde nicht nur in der Lokalpresse über den spektakulären Aufritt Gellers berichtet, bei dem in der Oberrheinhalle "atemlose Stille, Verblüffung und Überraschung" herrschte.

 

Proben-Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" am 17.1.1974 (ZDF)
Proben-Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" am 17.1.1974 (ZDF)

 

Proben-Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" am 17.1.1974 (ZDF)
Proben-Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" am 17.1.1974 (ZDF)

 

Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" am 17.1.1974 (ZDF)
Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" am 17.1.1974 (ZDF)

 

Artikel aus dem "Badischen Tagblatt" vom 19. Januar 1974 (Stadtarchiv Offenburg)
Artikel aus dem "Badischen Tagblatt" vom 19. Januar 1974 (Stadtarchiv Offenburg)

 

Keine zwei Wochen nach der Offenburger Show befand sich Geller schon auf der Titelseite des SPIEGEL. Eine beispiellose Welle der Auseinandersetzung mit den verblüffenden Fähigkeiten des "Löffelbiegers" war in Gang gesetzt. Geller wurde zu einer Berühmtheit, die ganz Deutschland beschäftigte. Im IGPP dokumentierte man das Geschehen und sammelte unzählige Presse- und Erfahrungsberichte, wodurch größere Mengen an Archivgut entstanden. Aktuell ist in den öffentlichen Archiven nur wenig zur "Uri-Geller-Epidemie" in den 1970er-Jahren nachgewiesen. Den umfangreichen Sammlungen im Archiv des IGPP bekommt deshalb eine besondere Bedeutung zu, um dieses soziale Phänomen in seinem historischen Verlauf beschreiben zu können. "This is only the beginning" – so Uri Geller gegen Ende seines Auftritts in Offenburg. Er sollte recht behalten.

 

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Ausgabe DER SPIEGEL vom 28. Januar 1974
mit Titelstory zu Uri Geller
Archiv des IGPP, 40/9_171

Bildpostkarte/Ganzsache mit Motiv Oberrheinhalle
1970er Jahre, nicht gelaufen
Archiv des IGPP, Handakten U. Schellinger

Ansichtkarte "Offenburg/Baden"
gelaufen 1973
Archiv des IGPP, Handakten U. Schellinger

Ansichtskarte "Grüße aus Offenburg am Schwarzwald"
gelaufen 1988
Archiv des IGPP, Handakten U. Schellinger

Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" (17.1.1974),
aufgenommen bei der Probe (Repro)
ZDF

Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" (17.1.1974),
aufgenommen bei der Probe (Repro)
ZDF

Foto der TV-Sendung "Drei mal Neun" (17.1.1974),
aufgenommen bei der Live-Sendung (Repro)
ZDF

Institutsschlüssel des IGPP:
Biege-Versuch von Uri Geller am 17.1.1974
Archiv des IGPP, E/23_1050

Artikel "Kamen ‘magische Kräfte’ aus der Oberrheinhalle?",
Badisches Tagblatt vom 19. Januar 1974 (Kopie)
Stadtarchiv Offenburg, Zeitgeschichtliche Sammlung,
Nr. 4061

Kopie des Transkripts eines Gesprächs zwischen
Hans Bender und Uri Geller am 17. Januar 1974 in Offenburg
Archiv des IGPP, E/23_1050

 

Literatur:

Hans Bender/Rainer Hampel/Helmut Kury/Susanne Wendtland: Der "Geller-Effekt" – eine Interview- und Fragebogenuntersuchung, Teil 1: Anlaß, Methode und Teilergebnisse der Untersuchung, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie 17 (1975) H.4, 219-240.

Hans Bender/Rainer Hampel/Helmut Kury/Susanne Wendtland: Der "Geller-Effekt" – eine Interview- und Fragebogenuntersuchung, Teil 2: Einstellungen, Psi-Informationsstand und "okkultes Umfeld" der Berichterstatter, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie 18 (1976) H.1, 1-20.

Hans Bender/Rainer Hampel/Helmut Kury/Susanne Wendtland: Der "Geller-Effekt" – eine Interview- und Fragebogenuntersuchung, Teil 3: Typische Einstellungen (Syndrome) und Persönlichkeitsmerkmale, in: Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie 18 (1976) H.2, 105-116.

Jonathan Margolis: Uri Geller – Magician or Mystic?, London (Orion) 1998.

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #11 (11.7.2023)

DER MANN AN IHRER SEITE:

JAROSLAV HOPPE (1878–1926)

von Frauke Schmitz

Jaroslav Hoppe als junger Mann (um 1900) (Archiv des IGPP)
Jaroslav Hoppe als junger Mann (um 1900) (Archiv des IGPP)

Bei Ehepaaren, bei denen ein Partner prominent ist, verhält es sich meistens so, dass der Mann bekannt ist, während seine Frau kaum wahrgenommen wird, zumal Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. In diesem Fall ist es genau umgekehrt: Die weitaus bekanntere Person ist die Zoologin und Okkultismus-Forscherin Fanny Hoppe-Moser (1872–1953), während man über ihren Ehemann, den Musiker und Komponisten Jaroslav Hoppe (1878–1926), heute kaum noch etwas weiß.
Jaroslav (auch Jaroslaw) Hoppe wurde am 6. Juli 1878 in Kremsier (tschechisch: Kroměříž, Ostmähren) geboren; gestorben ist er dort am 11. Februar 1926. Er hatte drei Brüder: Vladimir, Otakar und aus der ersten Ehe des Vaters den Halbbruder Viktor Hoppe. Der Vater, Dr. Bedrich Hoppe, war ein bekannter Brünner Advokat und Politiker, die Mutter Olga (geb. Kozánek) war ausgebildete Sängerin.

 

Jaroslav Hoppe im Alter von 3 Jahren (1881) (Archiv des IGPP)
Jaroslav Hoppe im Alter von 3 Jahren (1881) (Archiv des IGPP)

 

Nach dem Abitur in Kremsier ging Hoppe 1899 nach München, um am Zoologischen Institut zu studieren; dort lernten er und Fanny Moser sich kennen. Hoppe entschied sich aber bald für die Musik, studierte Literaturwissenschaft als Hauptfach mit Nebenfach Musik und promovierte 1902 in Prag über Percy Bysshe Shelley (1792–1822), seinen Lieblingsdichter. Im Oktober 1903 heirateten Jaroslav Hoppe und Fanny Moser in Fannys Heimat am Zürichsee und zogen dann nach Berlin. Dort studierte Jaroslav Hoppe am Stern'schen Konservatorium Theorie, Komposition, Klavier und Oboe. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts komponierte er vor allem Lieder auf Gedichte von Shelley, Thomas Moore, Hermann Hesse und anderen mit Klavierbegleitung, aber auch einige Instrumentalwerke. In der Presse wurden Aufführungen seiner Werke sehr wohlwollend aufgenommen.

 

 

Jaroslav Hoppe mit Fanny Hoppe-Moser und (vermutlich) der Pianistin Noemi Jirečková (1916)
          (Archiv des IGPP)
Jaroslav Hoppe mit Fanny Hoppe-Moser und (vermutlich) der Pianistin Noemi Jirečková (1916) (Archiv des IGPP)

 

Programmheft: Pfannschmidt'scher Chor, Garnisonskirche Berlin (20.11.1912) (Archiv des IGPP)
Programmheft: Pfannschmidt'scher Chor, Garnisonskirche Berlin (20.11.1912) (Archiv des IGPP)

 

Programmblatt: Liederabend von Prof. Johannes Messchaert, Sing-Akademie Berlin (15.3.1916) (Archiv des IGPP)
Programmblatt: Liederabend von Prof. Johannes Messchaert, Sing-Akademie Berlin (15.3.1916) (Archiv des IGPP)

 

Über den Verbleib seiner Kompositionen wissen wir aktuell nur, dass Fanny Hoppe-Moser diese nach dem Tod ihres Ehemannes an den tschechischen Musikprofessor Ota Fric (1901–1988) mit der Bitte geschickt hat, sie zu sichten und dann alles Material an Hoppes Familie zu senden.

 

Schreiben (Ausschnitt) von Fanny Hoppe-Moser an Ota Fric (3.12.1940) (Archiv des IGPP)
Schreiben (Ausschnitt) von Fanny Hoppe-Moser an Ota Fric (3.12.1940) (Archiv des IGPP)

 

Wie innig die Beziehung zwischen Jaroslav und Fanny war, belegt unter anderem ein Tagebucheintrag von Fanny Hoppe-Moser aus dem Jahr 1914. Sie berichtet darin von ihrer Rückkehr von einem Forschungsaufenthalt in Neapel:"Mittwoch 20. [Mai 1914] Nachmittag 4 Uhr Abfahrt nach Berlin über Stuttgart. Ankunft um 9 Uhr früh. Jara [Jaroslav] am Bahnhof – 10 Uhr Daheim, wo Alles voll Blumen – und Jara neue Lieder hat, die er mir gleich spielt. Das war ein schöner Schluss – und Anfang"“
1915 wurde eine neurologische Krankheit bei Jaroslav Hoppe diagnostiziert. Auch wegen des raschen Fortschreitens der Krankheit musste das Ehepaar wenige Jahre später die Wohnung in Berlin aufgeben und nach Kremsier ziehen, wo Hoppes Onkel Emil Kozánek ihnen eine Wohnung in seinem Haus angeboten hatte. Dort pflegte Fanny Hoppe-Moser ihren Ehemann aufopferungsvoll bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1926 - den er wohl bereits in gesunden Tagen lange vorhergeahnt hatte. In ihrem zweibändigen Werk "Okkultismus – Täuschungen und Tatsachen" (1935) beschreibt Fanny Hoppe-Moser, ohne seinen Namen zu nennen, solche Erfahrungen von "Prophetie" (Präkognition): "Ich selbst habe dieses zeitige Vorahnen eines frühen Todes: ‚vor 50 Jahren‘ [d.h. vor dem 50. Lebensjahr] schmerzlich miterlebt, als alles dagegen sprach. Nach 14 Jahren, im Alter von 47½, erfüllte sich diese, mit dem Ton innerster Überzeugung damals öfter wiederholte Voraussage".

 

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Jaroslav Hoppe als junger Mann
undatiert (um 1900), Atelier Wüst (Olmütz)
Archiv des IGPP, 10/3_Fotosammlung

Jaroslav Hoppe im Alter von 3 Jahren
1881, Atelier Rafael (Brünn)
Archiv des IGPP, 10/3_Fotosammlung

Jaroslav Hoppe mit Fanny Hoppe-Moser und (vermutlich)
der Pianistin Noemi Jirečková (1874–1963)
1916, Atelier Wolff (Neustrelitz)
Archiv des IGPP, 10/3_Fotosammlung

Programmheft:
Pfannschmidt'scher Chor, Garnisonskirche Berlin, 20.11.1912
Aufgeführt wurde neben Kompositionen von Brucker und Mozart
ein „Kyrie“ von Hoppe
Archiv des IGPP, 10/3_J. Hoppe als Komponist

Programmheft:
Liederabend von Prof. Johannes Messchaert , Sing-Akademie Berlin, 15.3.1916
Aufgeführt wurden neben Liedern von Grieg, Schumann und Schubert
drei (ursprünglich geplant waren fünf) Lieder von Hoppe
Archiv des IGPP, 10/3_Korrespondenz mit J. Messchaert

Schreiben von Fanny Hoppe-Moser an Ota Fric, 3.12.1940
Nur fragmentarisch und als Kopie vorhanden.
Der Brief enthält eine Aufstellung der Kompositionen von
Hoppe sowie eine Darstellung seines Lebenslaufs
Archiv des IGPP, 10/3_Korrespondenz mit O. Fric

 

Literatur:

Ina Schmied-Knittel: "Ich habe das Vernünftige immer gehasst". Fanny Moser (1872–1953) – Porträt einer Grenzwissenschaftlerin, in: Dies. (Hg.): Science und Séance: Die Biologin und Parapsychologin Fanny Moser (1872–1953), Baden-Baden (Ergon) 2023, 15-71.

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #10 (20.4.2023)

HEXENJAGD IN ITALIEN: DER FALL CAROLE COMPTON

von Gerhard Mayer

Transkript eines Gesprächs von Hans Bender mit Carole Compton in Livorno (8.9.1983)(Archiv des IGPP)
Transkript eines Gesprächs von Hans Bender mit Carole Compton in Livorno (8.9.1983) (Archiv des IGPP)

Eine verliebte schottische junge Frau namens Carole Compton folgte dem Wunsch ihres Freundes Marco und zog 1982, mit Heiratsplänen im Kopf, in dessen Heimatland Italien. Marco hatte noch Militärdienst abzuleisten, währenddessen Carole als Kindermädchen arbeitete. Sie sprach kaum italienisch.

 

Carole Compton (Reproduktion, Fotograf:in: unbekannt)
Carole Compton (Reproduktion, Fotograf:in: unbekannt)

 

An ihrer ersten Arbeitsstelle in Ortisei in Südtirol kam es Mitte Juli 1982 in kurzer Zeit zu zwei unerklärlichen Bränden, an der darauffolgenden Arbeitsstelle auf der Insel Elba Anfang August 1982 zu drei weiteren Bränden und einigen merkwürdigen Spukphänomenen. Die dort anwesende Großmutter des zu betreuenden Kindes bezichtigte die 20-jährige Carole als "Hexe" und die Eltern zeigten sie wegen Brandstiftung an. Hinzu kam eine Anklage wegen versuchten Kindesmordes. Carole kam daraufhin in Untersuchungshaft und blieb insgesamt 17 Monate in italienischen Gefängnissen, bis sie schließlich am 12. Dezember 1983 vor Gericht gestellt wurde. Der Fall erregte schnell internationales Aufsehen. Während die Presse reißerisch über die junge "Hexe" berichtete, wurden in Caroles Heimat Spenden zur Deckung der Prozesskosten eingesammelt.

 

 

Zeitungsausschnitte zum Fall Carole Compton (Archiv des IGPP)
Zeitungsausschnitte zum Fall Carole Compton (Archiv des IGPP)

 

Auch der britische Parapsychologe Guy Lyon Playfair (1935–2018) hörte von dem spektakulären Fall. Er vermutete einen klassischen Spuk und organisierte eine Kampagne unter Kollegen, die mit einer parapsychologischen Deutung des Geschehens die Anklage entkräften sollten. Professor Hans Bender in Freiburg kam als international anerkanntem Spuk-Experten eine besondere Rolle zu. Bender interviewte Carole am 8. September 1983 im Gefängnis in Livorno und erstellte für ihren Verteidiger eine Art Gutachten, in dem er auch auf Vergleichsfälle in Italien sowie in Freiburg hinwies.

 

Gutachten von Hans Bender zum Fall Carole Compton, ins Italienische übersetzt (12.1983) (Archiv des IGPP)
Gutachten von Hans Bender zum Fall Carole Compton, ins Italienische übersetzt (12.1983) (Archiv des IGPP)

 

Die Verteidigung entschied sich jedoch, die parapsychologische Erklärung des Geschehens im Prozess nicht vorzubringen. Die Anklage wegen versuchten Mordes wurde aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Carole wurde allerdings am 15. Dezember 1983 wegen Brandstiftung sowie versuchter Brandstiftung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt − dies offenbar ohne jeglichen Beweis und unter Missachtung der Aussagen der Brandsachverständigen. Aufgrund der langen Untersuchungshaft wurde Carole die Reststrafe erlassen. 40 Jahre nach den Ereignissen, die 1990 in einem Buch verarbeitet wurden und 2001 den Stoff für einen Mystery-Thriller lieferten, ranken sich um den Fall Carole Compton weiterhin einige ungeklärte Fragen.

 

Buchpublikation zum Fall (1990). Privatbesitz
Buchpublikation zum Fall (1990). Privatbesitz

 

DVD des Films Superstition – Spiel mit dem Feuer (2001)
DVD des Films Superstition – Spiel mit dem Feuer (2001)

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Transkript eines Gesprächs
von Hans Bender mit Carole Compton in Livorno (8.9.1983)
Archiv des IGPP, E/23_Fall Carole Compton (1982-1984)
(noch unverz.)

Gutachten von Hans Bender zum Fall Carole Compton,
ins Italienische übersetzt (12.1983)
Archiv des IGPP, E/23_Fall Carole Compton (1982-1984)
(noch unverz.)

Carole Compton
(Reproduktion, Fotograf:in: unbekannt)

Zeitungsausschnitte zum Fall Carole Compton
Archiv des IGPP, E/23_Fall Carole Compton (1982-1984)
(noch unverz.)

Carole Compton (mit Gerald Cole):
Superstition. The True Story of the Nanny They Called Witch,
London (Ebury Press) 1990.
Privatbesitz

DVD "Superstition − Spiel mit dem Feuer" (2001)
Mediensammlung des IGPP, K-2004/0021

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #9 (24.1.2023)

GERDA UND DER KOSMIKER

von Uwe Schellinger

Schreiben von Karl Wolfskehl an Gerda Walther vom 6.10.1930 (Archiv des IGPP, 10/6_24)
Abbildung: Schreiben von Karl Wolfskehl an Gerda Walther vom 6.10.1930
(Archiv des IGPP, 10/6_24)

Die aus dem Schwarzwälder Kurort Nordrach stammende Dr. Gerda Walther (1897–1977) kann als die wohl einflussreichste weibliche Vertreterin der Parapsychologie im 20. Jahrhundert aus Deutschland gelten. Zudem wird die Husserl-Schülerin und Phänomenologin inzwischen verstärkt im Kontext der Philosophiegeschichte beachtet. Unter den zahlreichen Bekannten der enorm fleißigen Autorin und rührigen ‚Netzwerkerin‘ findet sich mit Karl Wolfskehl (1869–1948) einer der bedeutendsten deutsch-jüdischen Schriftsteller der Moderne. Wolfskehl, der vor allem als Exilliterat eine große Bedeutung hat, gehörte zum berühmten Münchner Intellektuellenkreis der sogenannten „Kosmiker“ um Stefan George und Ludwig Klages. Walther lernte Wolfskehl kennen, nachdem sie 1928 nach München gezogen war, um für Albert von Schrenck-Notzing zu arbeiten. Man begegnete sich auf einem der rauschenden Münchner Faschings-Feste, auf denen Wolfskehl, der „Zeus von Schwabing“, allgegenwärtig war. Walther ließ Wolfskehl 1929 einen ihrer philosophischen Aufsätze zur Beurteilung zukommen. Der im Archiv des IGPP aufbewahrte (leider unvollständige) Schriftwechsel deutet darauf hin, dass es in der Folge zu einem regen Austausch zwischen Walther und Wolfskehl gekommen ist, der auch Themen des wissenschaftlichen Okkultismus beinhaltete. Offensichtlich erhoffte sich die Wissenschaftlerin in diesen Jahren der eigenen beruflichen Unsicherheit die Unterstützung durch den weithin bekannten, fast dreißig Jahre älteren Schriftsteller – sowie einen Kontakt zum bewunderten Stefan George. Karl Wolfskehl hingegen scheint eher an privateren Begegnungen interessiert gewesen zu sein. Demzufolge zog sich Walther, merklich enttäuscht von Wolfskehls mangelnder Hilfsbereitschaft, nach einiger Zeit von dem berühmten Bohémien zurück. Karl Wolfskehl flüchtete nach dem Machtantritt der Nazis 1933 in die Schweiz, dann nach Italien und schließlich 1938 nach Neuseeland. In ihrer 1960 publizierten Autobiographie Zum anderen Ufer erwähnt Gerda Walther auch ihre Bekanntschaft zu dem „Kosmiker“ mit einigen Zeilen.

 

Gerda Walther (1897–1977)
Abbildung: Gerda Walther (1897–1977)

 

Karl Wolfskehl (1869–1948)
Abbildung: Karl Wolfskehl (1869–1948)

 

Visitenkarte von Karl Wolfskehl: Wolfskehl und seine Familie hatten seit 1915 einen weiteren Wohnsitz in Kiechlinsbergen am Kaiserstuhl (Archiv des IGPP, 10/6_24)
Visitenkarte von Karl Wolfskehl: Wolfskehl und seine Familie hatten seit 1915 einen weiteren Wohnsitz in Kiechlinsbergen am Kaiserstuhl
(Archiv des IGPP, 10/6_24)

 

Autobiographie „Zum anderen Ufer“ von Gerda Walther (1960) (Archiv des IGPP, Bestand 20/30)
Autobiographie „Zum anderen Ufer“ von Gerda Walther (1960)
(Archiv des IGPP, Bestand 20/30)

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Karl Wolfskehl/München an Gerda Walther/München
(06.10.1930)
(Archiv des IGPP, 10/6_24)

Gerda Walther (1897–1977)
(unbekannte:r Fotograf:in, Historischer Verein Nordrach e.V.)

Karl Wolfskehl (1869–1948)
(Foto: Theodor Hilsdorf, Münchner Stadtmuseum)

Visitenkarte von Karl Wolfskehl (Sept. 1929)
(Archiv des IGPP, 10/6_24)

Gerda Walther: Zum anderen Ufer. Vom Marxismus
und Atheismus zum Christentum, Remagen (Otto Reichl Verlag), 1960
(Archiv des IGPP, Bestand 20/30)

 

Literatur:

Heinrich Eppe: Gerda Walther (1897–1977) - ihr zwiefacher Weg "aus dem Dunkel zum Licht", in: J. Baumgartner/B. Wedemeyer-Kolwe: Aufbrüche - Seitenpfade - Abwege. Suchbewegungen und Subkulturen im 20. Jahrhundert. Festschrift für Ulrich Linse, Würzburg 2004, 91-97.

Rodney K. B. Parker: Gerda Walther (1897–1977): A Sketch of Life, in: A. Calcagno: Gerda Walther's Phenomenology of Sociality, Psychology, and Religion, CH-Cham 2018, 3-9.

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #8 (4.11.2022)

DER SEHER VOM KINZIGTAL

von Uwe Schellinger

Schwerkriegsbeschädigtenausweis von Bernhard Bischler, 1958 (Archiv des IGPP, 10/16_1)
Abbildung: Schwerkriegsbeschädigtenausweis von Bernhard Bischler, 1958
(Archiv des IGPP, 10/16_1)

Bernhard Bischler (1884–1965) aus dem kleinen Schwarzwaldort Fußbach im Tal der Kinzig (Ortenaukreis) hatte seit Mitte der 1940er Jahre für die beiden folgenden Jahrzehnte eine besondere Funktion für die Bevölkerung der Talregion. Für viele wurde Bischler zu einer wichtigen Ansprechperson, wenn es darum ging, verschwundene Objekte oder entlaufene Tiere wiederzufinden, Informationen über vermisste Angehörige zu erhalten oder auch Diebstahlfälle aufzuklären. Bischler, der aufgrund einer Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg stark gehbehindert war und zudem zunehmend erblindete, galt wegen seiner ihm zugeschriebenen paranormalen Fähigkeiten als „Seher vom Kinzigtal“. Tagtäglich empfing er Ratsuchende aus der näheren oder weiteren Umgebung. 1954/1955 stand Bischler auch in Kontakt mit dem IGPP und Hans Bender, von dem er sich eine Bestätigung für seine hellseherischen und präkognitiven Fähigkeiten erhoffte. Dazu ließ er Bender einige positive Bestätigungsschreiben von Hilfesuchenden zukommen.

 

Bestätigungsschreiben über die Fähigkeiten von Bernhard Bischler, August 1954 (Archiv des IGPP, E/23_1010)
Abbildung: Bestätigungsschreiben über die Fähigkeiten von Bernhard Bischler, August 1954
(Archiv des IGPP, E/23_1010)

 

Neben seiner Funktion als paranormaler Ratgeber in Alltagsangelegenheiten verkündete Bischler bei eigenen spiritistischen Sitzungen zahlreiche, zumeist religiös ausgestaltete Neu-Offenbarungen. Bischler behauptete, im Trancezustand mit verstorbenen prominenten Personen aus der (Religions)Geschichte in Kontakt treten zu können – so etwa mit dem Hl. Joseph, mit dem einen oder anderen Papst oder auch mit Albert Einstein.

 

Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen medialer Durchsagen von Bernhard Bischler (hier der Hl. Josef), November 1944 (Archiv des IGPP, 10/6_4)
Abbildung: Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen medialer Durchsagen
von Bernhard Bischler (hier der Hl. Josef), November 1944 (Archiv des IGPP, 10/16_4)

Maschinenschriftliche Transkripte medialer Durchsagen von Bernhard Bischler, 1954–1958 (Archiv des IGPP, 10/6_15)
Abbildung: Maschinenschriftliche Transkripte medialer Durchsagen
von Bernhard Bischler, 1954–1958 (Archiv des IGPP, 10/16_15)

 

Der „Seher vom Kinzigtal“ kann als Beispiel für viele ähnlich verfasste Biographien gelten, die man aus dem ländlichen Kontext kennt: Hellseher, personale Medien, Wunderheiler – außergewöhnliche Instanzen im dörflichen Zusammenhang und oft durchaus von Bedeutung für dessen Gefüge. Dennoch geriet Bernhard Bischler nach seinem Tod im April 1965 bald völlig in Vergessenheit. Seit 2005 befinden sich als Schenkung aus dem Familienumfeld größere Teile von Bischlers Nachlass, darunter mehrere Hundert Aufzeichnungen und Transkripte der durch ihn vermittelten vermeintlichen Botschaften aus Jenseits, als eigener Bestand im Archiv des IGPP.

 

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Schwerkriegsbeschädigtenausweis
von Bernhard Bischler
(1958)
(Archiv des IGPP, 10/16_1)

Bestätigungsschreiben über die Fähigkeiten von
Bernhard Bischler mit Versandkuvert an Hans Bender
(August 1954)
(Archiv des IGPP, E/23_1010)

Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen medialer
Durchsagen von Bernhard Bischler (hier der Hl. Josef)
(November 1944)
(Archiv des IGPP, 10/16_4)

Maschinenschriftliche Transkripte medialer Durchsagen
von Bernhard Bischler
(1954–1958)
(Archiv des IGPP, 10/16_15)

 

Literatur (in Auswahl):

Eva Magin-Pelich: Seher und Lebensberater: Bernhard Bischler, in: Gengenbacher Blätter 2007, 22-23.

Uwe Schellinger: Integrierter Außenseiter: Bernard Bischler (1884–1965), der „Seher vom Kinzigtal“, in: A. Morgenstern/U. Scherb (Hg.): Leben am Rand ?! Geschichten aus Südbaden (Lebenswelten im ländlichen Raum – Historische Erkundungen in Mittel- und Südbaden 6), Heidelberg u.a. (verlag regionalkultur) 2020, 75-100.

 

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #7 (12.8.2022)

RUNENSTEIN UND HERDFEUER

von Uwe Schellinger

Zeitschrift „Der Runenstein“ (Herbst 2006)
Abbildung: Zeitschrift „Der Runenstein“ (Herbst 2006, Heidnische Gemeinschaft e.V.)
(Archiv des IGPP, Bestand 40/15/19_3)

Das von der DFG finanzierte Forschungsprojekt Inszenierung des "Germanischen" im Neuheidentum der Gegenwart (2006-2009)war eines der zahlreichen Projekte, die innerhalb der von 2002 bis 2013 im IGPP bestehenden Abteilung „Empirische Kultur- und Sozialforschung“ durchgeführt wurden. Mit einer daraus resultierenden Dissertation (2010) des Soziologen René Gründer sowie einer ganzen Reihe weiterer Einzelpublikationen generierte dieses Projekt außerordentlich viele wissenschaftliche Erträge. Vorbereitet wurde es durch Gründers Magisterarbeit mit dem Titel Identität – Gemeinschaft – Naturverbundenheit. Symbolische Strukturen ethnokultureller Alternativreligion (2005).

 

Magisterarbeit von René Gründer
Abbildung: Magisterarbeit von René Gründer:
„Identität – Gemeinschaft – Naturverbundenheit.
Symbolische Strukturen ethnokultureller Alternativreligion“
(2005) (Archiv des IGPP, 40/1_166)

Dissertation von René Gründer
Abbildung: Dissertation von René Gründer:
„Blótgemeinschaften – eine Religionsethnografie des
‚germanischen Neuheidentums‘ (2010) (Archiv des IGPP, Bestand 20/11

 

Im Zentrum des Gesamtprojekts stand die religionsethnographische Untersuchung so genannter germanisch-neuheidnischer Gruppen im deutschsprachigen Raum. Die untersuchten Gruppen, oft in Vereinsform organisiert, unterhielten unter anderem eigene Zeitschriften oder Schriftenreihen. Eine kleine dem IGPP überlassene Sammlung (Bestand 40/15/19) beinhaltet entsprechende Druckschriften, die von Gründer während seiner Forschungen zusammen getragen wurden wie etwa die Zeitschriften „Der Runenstein“ und „Herdfeuer“ oder Verlagsprospekte des „Arun-Verlags“.

 

Prospekt des „Arun-Verlags (2006)
Abbildung: Prospekt des „Arun-Verlags (2006) (Archiv des IGPP, Bestand 40/15/19_7)

Zeitschrift „Herdfeuer“ (Herbst 2006)
Abbildung: Zeitschrift „Herdfeuer“ (Herbst 2006, Der Eldaring e.V.) (Archiv des IGPP, Bestand 40/15/19_1)

 

Belegt sind hier neben esoterischen, „germanischen“ und ökospirituellen Inhalten die Überschneidungen mit neurechten oder explizit völkischen Weltanschauungen und somit durchaus als problematisch einzuschätzende Positionen. Die überlieferte Sammlung zeigt, dass im Zusammenhang mit Forschungsprojekten nicht nur die eigentlichen wissenschaftlichen Unterlagen, sondern auch begleitende Materialsammlungen von archivwürdigem Interesse sein können. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich wie im Falle des Germanischen Neuheidentums um Erzeugnisse und Präsentationen sozialer Gruppen handelt, die in sich geschlossen, kaum zugänglich oder gesellschaftlich marginalisiert sind.

 

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Zeitschrift „Der Runenstein“ (Herbst 2006)
Heidnische Gemeinschaft e.V., Berlin
(Archiv des IGPP, 40/15/19_3)

Prospekte des „Arun-Verlags – Verlag der Traditionen und
Kulturen (2000-2006)
Uhlstädt-Kirchhasel
(Archiv des IGPP, 40/15/19_7)

Dissertation von René Gründer:
„Blótgemeinschaften – eine Religionsethnografie des
‚germanischen Neuheidentums‘ (Würzburg: Ergon, 2010)
(Archiv des IGPP, Bestand 20/11)

Zeitschrift „Herdfeuer“ (H. 3, 2. Jg. 2006)
Der Eldaring e.V., Kiel
(Archiv des IGPP, 40/15/19_1)

Magisterarbeit von René Gründer:
„Identität – Gemeinschaft – Naturverbundenheit.
Symbolische Strukturen ethnokultureller Alternativreligion“
(Universität Freiburg, Wintersemester 2004/2005, 2 Bde.)
(Archiv des IGPP, 40/1_166)

 

Literatur (in Auswahl):

René Gründer: Germanisches (Neu-)Heidentum in Deutschland. Entstehung, Struktur und Symbolsystem eines alternativreligiösen Feldes, Berlin 2008.

René Gründer: Traditionen des germanischen Heidentums in der Moderne. In: Gnostika 42 (2009) 35-46.

René Gründer: Blótgemeinschaften. Eine Religionsethnografie des 'germanischen Neuheidentums', Würzburg 2010.

René Gründer: Religiöse Beheimatungsversuche. Germanischgläubiges Neuheidentum als Ausdruck spiritueller Glokalisierung, in: M. Seifert (Hg.): Zwischen Emotion und Kalkül. 'Heimat' als Argument im Prozess der Moderne (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 35), Leipzig 2010, 219-230.

René Gründer/Michael Schetsche/Ina Schmied-Knittel (Hg.): Der andere Glaube. Europäische Alternativreligionen zwischen heidnischer Spiritualität und christlicher Leitkultur, Würzburg 2009.

Gerhard Mayer/René Gründer: Coming Home or Drifting Away - Magical Practice in the 21th Century. Ways of Adopting Heterodox Beliefs and Religious World Views, in: Journal of Contemporary Religion 25 (2010) H. 3, 395–418.

Gerhard Mayer/René Gründer: The Importance of Extraordinary Experiences for Adopting Heterodox Beliefs or an Alternative Religious Worldview. Journal of the Society for Psychical Research, 75 (2011) Nr. 1, 14–25.

 

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #6 (9.3.2022)

TANTE ELSES KOFFER

von Uwe Schellinger

Koffer von Else Liefmann
Abbildung: Koffer von Else Liefmann (Archiv des IGPP, Bestand 10/20)

Die Kinder- und Sportärztin Dr. Dr. Else Liefmann (1881–1970) gilt als eine der bemerkenswertesten Frauen der Freiburger Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert. Neben ihrer Tätigkeit als Ärztin mit eigener Praxis engagierte sie sich in der Weimarer Republik als Stadtverordnete der Deutschen Demokratischen Partei und war in vielfältiger Weise für die Organisation und die Belange von Ärztinnen und Akademikerinnen aktiv. Seit 2000 ist in Freiburg-Weingarten ein Platz nach ihr benannt. Im Jahr 2003 eröffnete man das Liefmann-Haus in der Goethestraße als Gästehaus der Universität Freiburg.

Else Liefmann
Abbildung: Dr. Dr. Else Liefmann (1881-1970), Reproduktion, unbekannte*r Fotograf*in
(Archiv des IGPP)

Else Liefmann stand in einer besonderen Beziehung zur Familie von Hans Bender, dem Gründer des IGPP. Sie war die beste Freundin von dessen Mutter Alice Bender-Hartlaub. Bender war der Patensohn von Else Liefmann, die ihn ihren „Göttibub“ nannte. Sie selbst war für Bender einfach die „Tante Else“.
In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur verliefen ihre Lebenswege dann völlig unterschiedlich: Während Hans Bender eine universitäre Karriere bis hin zum Professorentitel einschlagen konnte, bedeutete der Machtantritt der Nationalsozialisten für seine Patentante einen gravierenden biographischen Einschnitt. Aufgrund der jüdischen Herkunft ihrer Eltern, die zum Protestantismus konvertiert waren, geriet Else Liefmann ebenso wie ihre Geschwister Martha und Robert in den Fokus der nationalsozialistischen Rassepolitik. Im Oktober 1940 wurden die Geschwister Liefmann zusammen mit fast allen Jüdinnen und Juden Freiburgs in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Ihr Elternhaus sowie ihr zurückgelassener Besitz wurden danach „arisiert“.
Else Liefmann gelang 1942 die Flucht aus Frankreich in die Schweiz. Fortan in Zürich lebend, konnte sie sich in den folgenden Jahren aber nur mit Mühe über Wasser halten. Man hatte ihr 1938 die Approbation entzogen und die wissenschaftliche Laufbahn war abgebrochen worden.
1960 besuchte sie Freiburg ein letztes Mal – zur Beerdigung ihrer besten Freundin Alice Bender-Hartlaub. Mit dem Buch Helle Lichter auf dunklem Grund veröffentlichte Else Liefmann zusammen mit ihrer Schwester Martha im Jahr 1966 einen der ersten Erinnerungsberichte an die Geschehnisse während der NS-Zeit in Freiburg, an das Camp de Gurs und an die Flucht.

 

Martha Liefmann/Else Liefmann: Helle Lichter auf dunklem Grund, Bern: Christliches Verlagshaus, 1966
Abbildung: Martha Liefmann/Else Liefmann: Helle Lichter auf dunklem Grund,
Bern: Christliches Verlagshaus, 1966 (Archiv des IGPP, 10/20_8)

Else Liefmann wird überwiegend mit ihrem Opferschicksal wahrgenommen und darauf reduziert. Ihre vielfältigen wissenschaftlichen Aktivitäten vor und nach der NS-Zeit sind hingegen so gut wie unbeachtet geblieben. Möglicherweise kann ihr im IGPP aufbewahrter Teilnachlass hier Abhilfe schaffen. Während sich Liefmann in den 20er-Jahren mit Themen aus der Kinderheilkunde und mit der Forschung zu Zwillingen befasste, waren es in den Nachkriegsjahrzehnten insbesondere Forschungen zu Handlinien und zur sogenannten Chirologie. Hier, bei diesen unorthodoxen Deutemethoden, ergaben sich Schnittmengen zum Profil des IGPP. Kurz vor ihrem Tod im Jahr 1970 hinterließ sie deshalb ihrem Patensohn Hans Bender Teile ihres Nachlasses. So gelangte auch ein Koffer Else Liefmanns gefüllt mit „Material für die wissenschaftliche Arbeit über Handabdrücke“ in das IGPP.

 

Heft mit Handabdrücken (1950er Jahre) (Archiv des IGPP, 10/20_34)
Abbildung: Heft mit Handabdrücken (1950er Jahre) (Archiv des IGPP, 10/20_34)

Metallene Druckvorlagen mit Handabdrücken (1950er Jahre) (Archiv des IGPP, 10/20_ 24)
Abbildung: Metallene Druckvorlagen mit Handabdrücken (1950er Jahre) (Archiv des IGPP, 10/20_ 24)

 

Separatum: Else Liefmann: Ist Handlesung (Chirologie) eine Wissenschaft? (Der Psychologe. Monatsschrift für Psychologie und Lebensberatung, 11. Jg., H. 4, 1959) (Archiv des IGPP, 10/20_12)
Abbildung: Separatum: Else Liefmann: Ist Handlesung (Chirologie) eine Wissenschaft?
(Der Psychologe. Monatsschrift für Psychologie und Lebensberatung, 11. Jg., H. 4, 1959)
(Archiv des IGPP, 10/20_12)

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Fotografie: Else Liefmann (1881-1970), unbekannte*r Fotograf*in, Reproduktion
(Archiv des IGPP)

Buch: Martha Liefmann/Else Liefmann: Helle Lichter auf dunklem Grund, Bern: Christliches Verlagshaus, 1966
(Archiv des IGPP, 10/20_8)

Heft mit Handabdrücken (1950er Jahre)
(Archiv des IGPP, 10/20_34)

Metallene Druckvorlagen mit Handabdrücken ((1950er Jahre)
(Archiv des IGPP, 10/20_ 24)

Separatum: Else Liefmann: Ist Handlesung (Chirologie) eine Wissenschaft? (Der Psychologe. Monatsschrift für Psychologie und Lebensberatung, 11. Jg., H. 4, 1959)
(Archiv des IGPP, 10/20_12)

Koffer von Else Liefmann, 32,5cm x 49,5cm x 12,5cm, Aufschrift: „Material für die wissenschaftliche Arbeit über Handabdrücke“
(Archiv des IGPP, Bestand 10/20)

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #5 (12.1.2022)

HANS DRIESCH ALS NETZWERKER

von Michael Nahm

Brief von Hans Driesch an Gerda Walther
Abbildung: Brief von Hans Driesch an Gerda Walther
(Köln, 4.3.1928) (Archiv des IGPP, 10/6_4)

Der namhafte deutsche Biologe und Philosoph Hans Driesch (1867–1941) beschäftigte sich insbesondere in den Jahren von 1920 bis 1940 intensiv mit der Parapsychologie, die er für die bedeutendste aller Wissenschaftsdisziplinen hielt. Zahlreiche Publikationen hierzu festigten Drieschs Ruf als ein Leitstern der akademischen Parapsychologie dieser Zeit. Eine 2021 unter Mitwirkung von Michael Nahm am IGPP erschienene Monographie beleuchtet sein Leben und Aspekte seines Schaffens, von denen viele noch immer aktuell sind.

Aufgrund seines Bekanntheitsgrades war Hans Driesch immer wieder auch als Netzwerker aktiv, wie ein erhaltener Brief Drieschs an die promovierte Philosophin und angehende Parapsychologin Gerda Walther (1897–1977) belegt. Das Schreiben, datiert auf den 4. März 1928, bestätigt Walthers Angaben in ihrer Autobiografie Zum anderen Ufer (1960), wonach ihre „folgenschwere“ Tätigkeit als Sekretärin von Albert von Schrenck-Notzing (1862–1929), einem weiteren führenden Parapsychologen seiner Zeit, vor allem durch die Vermittlung von Driesch zustande kam:

„Am liebsten hätte ich mich auf parapsychologischem Gebiet betätigt. […] Es fiel mir ein, daß ja Prof. Hans Driesch, wie ich aus einigen seiner Aufsätze in der „Zeitschrift für Parapsychologie“ wusste, diesen Forschungen positiv gegenüber stand, und ich schrieb ihm in diesem Sinne. Prof. Driesch […] riet mir, mich unter Berufung auf ihn an Dr. Frh. Von Schrenck-Notzing in München zu wenden. Damit begann ein völlig neuer, folgenschwerer Abschnitt in meinem Leben.“

Der hier gezeigte Brief von Hans Driesch aus Köln ist offenbar die Antwort auf diese Anfrage Walthers, wie unter anderem folgende Auszüge erkennen lassen:

„Sie könnten ja immerhin einmal an Schrenck schreiben, ob er eine Assistentin braucht (Adr. München, Max Josefstr. 3). […]  Dabei könnten Sie erwähnen, daß ich Ihnen dazu geraten habe.“

Der größte Teil der Korrespondenz Drieschs wird heute in der Universitätsbibliothek in Leipzig aufbewahrt. Im Archiv des IGPP ist der im Teilnachlass von Gerda Walther aufbewahrter Brief hingegen als einer der wenigen handschriftlichen Belege von Hans Driesch eine Besonderheit. Das Dokument stellt somit ein ergänzendes Zeugnis bedeutender Vertreter*innen der Parapsychologie aus der Zeit der ersten Blüte dieser Forschungsdisziplin in Deutschland dar.

 

Prof. Dr. Hans Driesch
Abbildung: Prof. Dr. Hans Driesch (1867-1941), Reproduktion, unbekannte*r Fotograf*in (Archiv des IGPP, Bestand 2/2)

Dr. Gerda Walther
Abbildung: Dr. Gerda Walther (1897-1977), Reproduktion, unbekannte*r Fotograf*in (Archiv des IGPP, Bestand 2/2)

Buch „Sprechfunk mit Verstorbenen. Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits“
Abbildung: Gerda Walther: Zum anderen Ufer. Vom Marxismus und Atheismus zum Christentum, Remagen: Otto Reichl, 1960

Protokoll einer Einspielung mit Friedrich Jürgenson vom 22./23.8.1964
Abbildung: Stephan Krall/Michael Nahm/Hans-Peter Waldkirch: Hinter der Materie. Hans Driesch und die Natur des Lebens, CH-Zug: Die Graue Edition, 2021

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Brief: Hans Driesch an Gerda Walther (Köln, 4.3.1928), Reproduktion
(Archiv des IGPP, 10/6_4)

Fotografie: Prof. Dr. Hans Driesch (1867-1941), Reproduktion, unbekannte*r Fotograf*in
(Archiv des IGPP, Bestand 2/2)

Fotografie: Dr. Gerda Walther (1897-1977), Reproduktion, unbekannte*r Fotograf*in
(Archiv des IGPP, Bestand 2/2)

Buch: Gerda Walther: Zum anderen Ufer. Vom Marxismus und Atheismus zum Christentum, Remagen: Otto Reichl, 1960
(Archiv des IGPP, Bestand 20/30)

Buch: Stephan Krall/Michael Nahm/Hans-Peter Waldkirch: Hinter der Materie. Hans Driesch und die Natur des Lebens, CH-Zug: Die Graue Edition, 2021
(Privatbesitz)

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #4 (04.11.2021)

PSI ODER NICHT PSI – DAS FAMMI-PROJEKT

von Gerhard Mayer

T-Shirt des Freiburger FAMMI-Projekts
Abbildung: T-Shirt des Freiburger FAMMI-Projekts, ca. 1996
(Archiv des IGPP, Bestand 8/2)

Psi-Experimente mit Zufallsgeneratoren haben eine lange Tradition in der experimentellen parapsychologischen Forschung. Die Princeton Engineering Anomalies Research-Gruppe (PEAR) um Robert Jahn, Brenda Dunne und Roger Nelson optimierte die Technik bei solchen Mikro-Psychokinese-Experimenten. Dabei wurden die Versuchsteilnehmer:innen vor einen Computermonitor gesetzt und sollten versuchen, eine dort verlaufende und durch den zufallsbasierten Output von Nullen und Einsen erzeugte Linie mittels ihrer „geistigen Kräfte“ je nach Anweisung nach oben oder unten zu bewegen.

Das PEAR-Programm begann 1979. In über 12 Jahren konnte die Gruppe mit über 500 zusammengefassten Einzelexperimenten einen hochsignifikanten, wenn auch schwachen Psi-Effekt nachweisen. Es war den Versuchspersonen insgesamt gelungen, nur mithilfe ihres „Geistes“ die Zufallsprozesse zu beeinflussen.
Ein solcher Befund forderte natürlich zu unabhängigen Replikationen in anderen Labors auf. Dies wurden durch das vom IGPP in Freiburg, dem Gießen Anomalies Research Project (GARP) und der PEAR-Gruppe im Jahr 1996 gebildete Mind/Machine-Interaction Consortium (MMI) initiiert. An den drei Instituten wurden in der Folge jeweils 250 Experimentalserien durchgeführt. Die signifikanten Befunde der PEAR-Gruppe konnten dabei allerdings nicht repliziert werden.

Die Durchführung der MMI-Experimente am IGPP wurde durch die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Holger Bösch und Emil Boller vorgenommen. Sie nannten das Projekt „FAMMI“ (Freiburg Anomalous Mind-Machine Interaction Group). 250 Experimentalserien sind eine stattliche Anzahl. Um Versuchsteilnehmer:innen zu mehrfacher Teilnahme an dem eher ermüdenden Experiment zu motivieren, ließen Bösch und Boller T-Shirts anfertigen, auf die neben dem Logo des IGPP auf der Vorderseite und Rückseite der Satz „PSI ODER NICHT PSI“ und die E-Mail-Adresse des Projektes aufgedruckt waren. Nach 10 absolvierten Sitzungen bekam man ein solches T-Shirt als Belohnung. Auch Institutsmitarbeiter:innen beteiligten sich an den FAMMI-Experimenten, die 2000 in einen umfassenden Abschlussbericht des MMI einflossen.

Das hier gezeigte T-Shirt des Versuchsteilnehmers Nr. 63 wurde danach von seinem Besitzer sehr oft getragen und gewaschen und, nachdem der Aufdruck stark ausgebleicht war, auch als Arbeitskleidung für private Malerarbeiten verwendet.
Es ist ein materielles Überbleibsel aus jener Zeit, als sich das IGPP in einer aufregenden und vielleicht auch etwas chaotisch anmutenden Wachstumsphase befand.

Logbücher
Abbildung: „Logbücher“ zu den Experimenten des Freiburger FAMMI-Projekts (1996-1998)
(Archiv des IGPP, Bestand W/2)

Cover Abschlussbericht
Abbildung: Abschlussbericht des Mind/Machine Interaction Consortiums (2000)

Im IGPP ausgestellte Objekte:

T-Shirt (ca. 1996), weiß, blauer Aufdruck: „PSI oder nicht PSI / FAMMI@IGPP.DE“ (Archiv des IGPP, Bestand 8/2)

5 „Logbücher“ des FAMMI-Projekts (1996-1998), hier 5 von insg. 9 Exemplaren (Archiv des IGPP, Bestand W/2)

Abschlussbericht Robert Jahn et al.: „Mind/Machine Interaction Consortium:
PortREG Replication Experiment“ (April 2000) (Archiv des IGPP, 40/2_21)

Literatur:

Robert Jahn/Brenda J. Dunne/John Bradish/York H. Dobyns/ Arnold Lettieri/Roger Nelson/Johannes Mischo/Emil Boller/Holger Bösch/Dieter Vaitl/Joop Houtkooper/Bertram Walter: Mind/machine interaction consortium: PortREG replication experiments, in: Journal of Scientific Exploration 14 (2000) 499-555.

Dieter Vaitl/Stefan Schmidt: Mind-Machine Interaction Consortium, in: D. Vaitl (Hg.): An den Grenzen unseres Wissens. Von der Faszination des Paranormalen, Freiburg-Basel-Wien 2020, 289-295.

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #3 (02.09.2021)

HÖR‘ MAL, WER DA SPRICHT –
STIMMEN AUS DEM JENSEITS?

von Frauke Schmitz-Gropengießer

Agfa-Magnetonband mit Einspielungen von Friedrich Jürgenson vom August 1964
Abbildung: Agfa-Magnetonband mit Einspielungen von Friedrich Jürgenson vom August 1964
(Archiv des IGPP, 4/2_98)

Die Frage, ob Verstorbene mit Lebenden Kontakt aufnehmen können, gehört zu den großen Rätseln der Menschheit und ist ein existenzielles Motiv in der Geschichte des Spiritismus und des Okkultismus. Mit der technischen Entwicklung des Tonbands im 20. Jahrhundert erhielt diese Fragestellung eine neue Dimension.
Der schwedische Opernsänger und Maler Friedrich Jürgenson (1903–1987) hatte im Sommer 1959 beim Abspielen eines Tonbands mit Vogelstimmen den Eindruck, im Hintergrund eine leise Männerstimme vernommen zu haben, die auf Norwegisch von „nächtlichen Vogelstimmen“ sprach. Beim eigentlichen Aufnahmevorgang hatte er diese Stimme nicht gehört. Nach umfangreichen weiteren Hörversuchen kam Jürgenson zu dem Schluss, dass es Stimmen von Verstorbenen seien, die den Lebenden zumeist tröstliche Botschaften überbringen wollten.

Friedrich Jürgenson (1903–1987)
Abbildung: Friedrich Jürgenson (1903–1987)
(Archiv des IGPP, Bestand 20/5)

Jürgensons Forschungen erregten große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, so dass sein 1964 erschienenes Buch Rösterna Från Rymden unter dem Titel Sprechfunk mit Verstorbenen ins Deutsche übersetzt wurde und seit 1967 mehrere Auflagen erzielte.

Buch „Sprechfunk mit Verstorbenen. Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits“
Abbildung: Buch „Sprechfunk mit Verstorbenen. Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits“ (Friedrich Jürgenson, München: Wilhelm Goldmann, 2. Aufl. 1982) (Privatbesitz)

Protokoll einer Einspielung mit Friedrich Jürgenson vom 22./23.8.1964
Abbildung: Protokoll einer Einspielung mit Friedrich Jürgenson vom 22./23.8.1964 (Archiv des IGPP, E/23_613)

Die Tonbandstimmenphänomene erweckten auch beim Gründer des Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V., Hans Bender (1907–1991), großes Interesse. Es kam 1963 zum Kontakt mit Jürgenson, mit dem sich in der Folge eine rege Korrespondenz entwickelte.

Bei gemeinsamen Tonbandeinspielungen wurden nur wenige Minuten dauernde private Gespräche oder Radiofrequenzen aufgenommen. Beim Abspielen waren technisch nicht erklärbare weibliche und männliche Stimmen zu hören, die dazwischenriefen oder dazwischenflüsterten. Im Archiv des IGPP befinden sich über 30 solcher Magnettonbänder, darunter die Aufzeichnung einer der ersten Sitzungen im August 1964 mit dem zugehörigem Protokoll, an der neben Hans Bender und Friedrich Jürgenson auch der Leiter des gastgebenden Deutschen Instituts für Feldphysik in Northeim, Burkhard Heim, dessen Toningenieur Wolf-Dieter Schott, der Student Geīr Vilhjalmsson sowie der Münchner Physiker Friedrich Karger teilgenommen hatten.

Der 1975 gegründete Verein für Transkommunikationsforschung e.V. (VTF) widmet sich in der Nachfolge Jürgensons bis heute solchen Einspielversuchen.

VTF-Post, Jg. 47
Abbildung:VTF-Post, Jg. 47, Ausgabe 1/2021, Nr. P 180

 

Im IGPP ausgestellte Objekte:

Agfa-Magnetonband/PE 31 360m 1200ft/Langspiel-Band (1964), Aufschrift: „Protokoll (Nebenraum), (Telefunken 4spm), Jürgenson, Northeim, August 1964“ (Archiv des IGPP, 4/2_98)

Protokoll vom 22./23.8.1964 (8 Bl.): „Experimente mit Herrn Friedrich Jürgensson [sic!] im „Deutschen Institut für Feldphysik[“], Northeim, Auszug aus Protokoll Bender über vermutliche „Einspielungen“ (Archiv des IGPP, E/23_613)

Fotographie von Friedrich Jürgenson (um 1970), unbekannte/r Fotograph/in, Abzug auf Silbergelatinepapier (Archiv des IGPP, Bestand 20/5)

Buch Sprechfunk mit Verstorbenen. Praktische Kontaktherstellung mit dem Jenseits“ (Friedrich Jürgenson, München: Wilhelm Goldmann, 2. Aufl. 1982) (Privatbesitz)

Zeitschrift VTF-Post, Jg. 47, Ausgabe 1/2021, Nr. P 180, Verein für Transkommunikations-Forschung e.V. (IGPP-Bibliothek, Z 214)

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #2 (02.07.2021)

„SICHER SIEGEN MIT URI GELLER“:
DER FUSSBALL UND DAS PARANORMALE

von Uwe Schellinger

Sicher siegen mit Uri Geller
Abbildung: Artikel „Sicher siegen mit Uri Geller“ (René Martens), in: Hattrick–Fußballmagazin, März 1997, 38f
(Archiv des IGPP, Bestand 40/16)

Eine aus vielerlei Gründen höchst seltsame Fußball-Europameisterschaft 2021 biegt in ihre letzten Spielminuten ein. Deutlich geprägt wurde dieses um ein Jahr verschobene Turnier durch die Folgen der Corona-Pandemie. Vor allem deswegen war bei der EM 2021 vieles nicht normal ...
Dass sogar das Paranormale seinen Platz im professionellen Fußballsport hat und es zahlreiche Bezüge zwischen beiden Sphären gibt, lässt sich vielfach belegen.
So finden sich in den Pressesammlungen des IGPP immer wieder Meldungen über parapsychologisch bemerkenswerte Aspekte aus der Welt des Fußballs. Wer erinnert sich noch an die verblüffenden präkognitiven Talente des Oberhausener Kraken-Orakels Paul (2008-2010) bei der Weltmeisterschaft 2010? Immer wieder hört man von verletzten Spielern, die weniger auf den Mannschaftsarzt, sondern auf einen Wunderheiler hören. Mancherorts wabert das „Abstiegsgespenst“ durchs Stadion und 1954 soll Fritz Walter & Co. der „Geist von Spiez“ geholfen haben. Schließlich wird auch die „geheimnisvolle Verbindung zwischen Astrologie und Fußball“ bemüht, wenn um es Erfolg oder Misserfolg auf dem grünen Rasen geht. Und so weiter.

11 Freunde und 12 Sternzeichen
Abbildung: Buch „11 Freunde und 12 Sternzeichen:
Die geheimnisvolle Verbindung zwischen Astrologie und Fußball“
(Thomas Otto Schneider, Köln: StrzeleckiBooks 2020)
(IGPP-Bibliothek, Frei 122-I562)

Eine gewisse Rolle spielte hier immer mal wieder der unvermeidliche Uri Geller, allseits präsenter Medien-Star und Fan des FC Reading. Geller will laut eigener Aussagen vor allem bei der EM 1996 in England einige Spiele durch paranormale Aktivitäten beeinflusst haben: Bei den Spielen des englischen Teams grub er hinter den Toren magische Kristalle ein, zudem nötigte Uri Geller – im Auftrag einer Boulevardzeitung im Helikopter über dem Wembleystadion kreisend – angeblich per Gedankenkraft einen zuverlässigen schottischen Elfmeterschützen zum entscheidenden Fehlschuss. Die ThreeLions kamen bekanntlich bis ins Halbfinale, damals wurden sie durch den späteren Europameister Deutschland gestoppt.    
Inbesondere im Kontext der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika im Jahr 2010 wurden verstärkt die magischen Voodoo-Praktiken afrikanischer Nationalmannschaften
thematisiert. Angeblich gehörte dort zu jedem Funktionsteam wie selbstverständlich ein Schamane und auf den Fußballplätzen wurden alle denkbaren Fluch- oder Schutzobjekte eingebuddelt. Die Erzählung von der Fußball-Hexerei war so präsent, dass sie sogar von der Merchandise-Industrie verwertet wurde.

Spielzeug-Voodoo-Puppe zur WM 2010
Abbildung: FooTooKit (Spielzeug-Voodoo-Puppe zur WM 2010) (Fussy deluxe, 2010) (Archiv des IGPP, Objektesammlung, Bestand 8/4)

Voodoo im Strafraum
Abbildung: Buch „Voodoo im Strafraum: Fußball und Magie in Afrika“ (Oliver G. Becker, München: Beck, 2010) (IGPP-Bibliothek, Frei 122-F4VOODOO3)

Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie erstmals um sich griff, war natürlich auch der Fußball betroffen. Während im Jugend- und Amateurbereich der Spielbetrieb gänzlich eingestellt werden musste, rettete sich der Profifußball der Männer und Frauen mit isolierten Spielen ohne Publikum über die Runden. Schnell war die Metapher der sogenannten „Geisterspiele“ in aller Munde. Welche Geister hier nun gegeneinander spielten oder welche Geister die Tribünen bevölkerten, ist bei dieser Metapher allerdings nicht ganz schlüssig geklärt.

Geisterball
Abbildung: „Geisterball“: Von der Frauenmannschaft des SC Freiburg signierter Spielball ihres letzten Spiels in der Flyer-Alarm-Bundesliga-Saison 2019/2020 am 28.6.2020
(1.FFC Frankfurt-SC Freiburg 0:2) (Leihgabe Archiv des SC Freiburg e.V.)

 

Schaufenster ins IGPP-Archiv #1 (20.05.2021)

DAS ALIEN IM WALD - ODER:
DIE TÜCKEN DER WAHRNEHMUNG

von Gerhard Mayer & Jürgen Kornmeier

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Abbildung 1. (A): Gesamtbild der Wildkamera, Bereich mit humanoider Gestalt rot markiert. (B): Die humanoide Gestalt vergrößert (mitte) sowie eine Alien-Interpretation (links) und die Eichelhäher-Interpretation (rechts).
Skizzen von G. Mayer; Aufnahmejahr: 2013


Eine Rotte Wildschweine passierte 2013 über mehrere Wochen regelmäßig eine Lichtung im Freiburger Wald, weshalb passionierte Jäger dort eine bewegungssensitive Wildkamera aufstellten. Von einem Tag auf den anderen waren die Tiere dann plötzlich verschwunden, und zeitgleich hatte die Kamera 3 aufeinander folgende Bilder mit einer seltsamen humanoidähnlichen Gestalt von etwa 10 cm Größe aufgenommen (Abbildung 1). Die Jäger vermuteten einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden der Tiere und der aufgenommenen Gestalt. Man spekulierte über Waldgeister, außerirdische Wesen (Aliens) und auch über die potenzielle Gefahr, dieses Waldareal überhaupt noch zu betreten. Die Spekulationen wurden schließlich weiter befeuert durch Medienberichte über die sog. „Atacama“-Mumie. Diese der Wildkamera-Gestalt sehr ähnliche und auch etwa gleichgroße Mumie hatte im Mai 2013 in den Medien einiges Aufsehen erregt und ebenfalls Spekulationen über Aliens entfacht (Abbildung 2).

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Abbildung 2.
Kopf der Atacama-Mumie. Quelle:
Dr. Steven Greer, SiriusDisclosure.com

Eine Jägerin sandte das Bildmaterial schließlich im Juni 2014 an Gerhard Mayer im IGPP, mit der Bitte um eine professionelle Einschätzung. Sie und ihre Jägerkolleg:innen seien zum Schluss gekommen, dass das Objekt auf den Bildern etwas Paranormales sein müsse. Unsere Nachfrage ergab, dass die Jägerin Bilder der „Atacama“-Mumie zu jenem Zeitpunkt im Internet gesehen hatte.

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Abbildung 3. Typischer Eichelhäher

Nach intensiver Untersuchung des Bildmaterials fanden eine plausiblere konventionelle Erklärung: Bei dem vermeintlichen „Alien“ handelte es sich höchstwahrscheinlich um einen Eichelhäher (siehe Abbildung 3), der aufgrund der spezifischen Lichtsituation und Verdeckung durch Buschwerk missinterpretiert wurde. Die als Augenhöhlen interpretierten dunklen Flecken sind vermutlich die für einen Eichelhäher typischen dunklen Flecken am Hals. In Abbildung 4 haben wir die 3 Aufnahmen zu einem kurzen Filmchen zusammengesetzt. Hat man eine konkrete Vorstellung von einem Eichelhäher, sind die Vogelkontouren leicht erkennbar.

Diese Fallstudie ist ein interessantes Beispiel für ein allgemeineres Wahrnehmungsproblem: Die Informationen, die uns über unsere Sinne zur Verfügung stehen, sind unvollständig und mehrdeutig. Wir müssen sie mit Informationen aus anderen Quellen gewichten, um schnellstmöglich zur wahrscheinlichsten Wahrnehmungs-Interpretation zu gelangen. Dabei spielen räumlicher und zeitlicher Kontext (z.B. die Acatama-Mumie aus den Medien) eine Rolle, aber auch viele andere Wahrnehmungserfahrungen. Gesichter sind ein sehr prominenter Eintrag in unser Wahrnehmungsgedächtnis, weshalb wir in vielen verschiedenen Objekten sehr schnell ein Gesicht erkennen (sogenannte Pareidolien). Der Eichelhäher fehlte offensichtlich in der Gedächtnissammlung der Freiburger Jäger:innen. Ob es aber tatsächlich einer war − damals im Freiburger Wald − oder vielleicht doch ein Alien, und warum die Wildschweine verschwanden, bleibt ungeklärt.

Abbildung 4. Die drei Bildausschnitte in schneller Folge als Filmchen

 

Bildmaterial aus: Archiv des IGPP, WN3-Gerhard Mayer/Untersuchung „Bilder unserer Wildkamera“ (noch unverzeichnet)

Zu diesem Archivmaterial gibt es drei publizierte Artikel:

(1) Mayer G. & Kornmeier J. (2014). Rätselhafte Objekte auf den Bildern einer Wildkamera oder: die Tücken der Wahrnehmung. Zeitschrift für Anomalistik Band 14, 7-24.

(2) Kornmeier J. Mayer G. (2014) The alien in the forest OR when temporal context dominates perception. Perception 43(11), 1270-1274. [PDF-Anfrage per email]

(3) Mayer, G., & Kornmeier, J. (2019). Mysterious objects in pictures taken by a wildlife camera: The pitfalls of perception. In G. Mayer (Ed.), N equals 1: Single case studies in anomalistics (pp. 297-312). Zürich: LIT.