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Fanny Moser: eine Wissenschaftsbiografie
Dr. Fanny Hoppe-Moser (1872-1953) war promovierte Zoologin, später Spukforscherin und
schließlich die erste Mäzenin des Freiburger Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und
Psychohygiene. Moser wollte damit sicherstellen, dass ihr Lebenswerk ─ die wissenschaftliche
Untersuchung okkulter Phänomene, insbesondere Spukfälle ─ auf Dauer gestellt und im
akademischen Rahmen fortgesetzt wird.
Das gleichermaßen in Biografie-, Frauenforschung und Wissenschaftsgeschichte verortete
Forschungsprojekt will auf der Basis umfangreichen Archiv- und Quellenmaterials (der
wissenschaftliche Nachlass befindet sich im IGPP-Archiv) erstmals vollständig und systematisch den
Moserschen Lebensverlauf rekonstruieren und dabei insbesondere familiäre Hintergründe,
historische Rahmenbedingungen sowie soziologische Aspekte in den Blick nehmen. So fällt die
akademische Karriere der Fanny Moser in eine Zeit, in der sich Frauen den Zugang zum Studium und
zu einer wissenschaftlichen Laufbahn erst erkämpfen mussten. Fanny Moser überwindet diese
Hürden, sichert sich den Zugang zu Universität, Promotion und Forschungsaufträgen und liefert ein
interessantes Beispiel für weibliche Partizipation und weiblichen Erfolg in den Naturwissenschaften
in Deutschland zur Kaiserzeit.
1914 dann ein Ereignis, das ihren wissenschaftlichen Standpunkt erschüttert. Bei einer spiritistischen
Sitzung wird sie Zeugin einer eindrücklichen Tischlevitation, und es erfolgt eine Zäsur: Fanny Moser
entschließt sich künftig dem seinerzeit gleichermaßen populären wie umstrittenen
Wissenschaftlichen Okkultismus zu widmen, mit dem Ziel, den weltanschaulich umkämpften Status
hinsichtlich der Echtheit sog. parapsychischer und okkulter Phänomene wissenschaftlich zu
überprüfen. Mit Privatmitteln legt sie eine wertvolle Sammlung parapsychologischer Literatur an und
publiziert nach jahrzehntelangen Recherchen und Schreibversuchen zwei Werke, die zu den
Hauptwerken des Wissenschaftlichen Okkultismus gezählt werden: Der Okkultismus. Täuschungen
und Tatsachen (Moser, 1935) sowie Spuk: Irrglaube oder Wahrglaube? Eine Frage der Menschheit
(Moser, 1950).
Neben einer kritischen Einordnung dieser Arbeiten in die seinerzeit populären wissenschaftlichen
und weltanschaulichen Diskurse über Okkultismus müssen auch die familiären Hintergründe Fanny
Mosers diskutiert werden. Moser war Tochter des reichen Uhrenfabrikanten und Industriepioniers
Heinrich Moser aus Schaffhausen, ihre Mutter Fanny von Sulzer-Warth war dessen zweite Ehefrau
und nach seinem raschen und unerwarteten Tod die junge Alleinerbin eines großen Vermögens. (Sie
ging unter dem Pseudonym Emmy v. N. in Freuds Hysteriestudien in die Psychiatriegeschichte ein).
Auch die zwei Jahre jüngere Schwester Mentona wählte einen bemerkenswerten Lebensweg: sie war
Frauenrechtlerin und Gründungsmitglied der Schweizer Kommunistischen Partei, lebte zeitweise in
der UdSSR und verbrachte ihren Lebensabend als SED-Funktionärin in der DDR. Gänzlich unbekannt
hingegen ist die Rolle Jaroslavs Hoppes, der tschechische Ehemann von Fanny Moser, wegen dessen
Pflegebedürftigkeit sie Deutschland für längere Zeit verlässt und in die mährische Provinz übersiedelt.
Trotz der bemerkenswerten intellektuellen Leistungen von Fanny Moser, ihres geistigen,
wissenschaftlichen und nicht zuletzt pekuniärem Engagements, liegen bislang weder eine
hinreichende Würdigung noch eine Kontextualisierung ihres spezifischen Denk- und Lebensweges
unter wissenschafts- und sozialgeschichtlicher Perspektive vor. Das Projekt will diese Lücke schließen
und dies im Rahmen einer Monografie vornehmen.
Projektleitung/Bearbeiterin:
Dr. Ina Schmied-Knittel